Leben in Kambodscha
Buddhistischer Tempel in Kep, Kambodscha

Buddhismus im Alltag – Was ein Deutscher lernen kann

⏱️ Lesedauer: 5 Minuten

Seit nun 18 Jahren bin ich in Kambodscha täglich von buddhistischer Lebensweise umgeben. Was anfangs für mich als rationalen Deutschen nur exotische Folklore war, hat sich über die Jahre zu einer wertvollen Quelle der Inspiration entwickelt. Ich bin dadurch zwar nicht zum streng gläubigen Buddhisten geworden, aber ich habe erkannt, wie praktisch und alltagstauglich viele buddhistische Prinzipien sind.

In diesem Beitrag möchte ich vier Aspekte teilen, die mein Leben hier nachhaltig bereichert haben – und die auch nicht nur für Deutsche in der Heimat, sondern für jeden durchaus bereichernd sein können.

Achtsamkeit: Vom deutschen Autopiloten zur bewussten Wahrnehmung

Kennst du das? Du fährst zur Arbeit und kannst dich an die Hälfte der Strecke gar nicht erinnern. Oder du isst dein Mittagessen, während du gleichzeitig E-Mails checkst und an den nächsten Termin denkst. Damals in Deutschland war das mein Normalzustand – permanent im Autopilot-Modus.

Hier in Kambodscha habe ich die buddhistische Herangehensweise, Dinge zu tun, gelernt. Wenn ich zum Beispiel Mittag esse, dann tue ich wirklich nur das: Mittag essen. Ich schaue nicht auf mein Handy, plane nicht den Tag durch oder denke an gestern. Ich bin vollkommen präsent bei meinem Essen.

Diese Achtsamkeit hat sich nach und nach in meinen Alltag geschlichen. Wenn ich meine Lebenspartnerin ab und zu zum Markt begleite, nehme ich bewusst die Geräusche wahr: das Brummen der Mopeds, das Lachen der Verkäuferinnen, die Gerüche von den kleinen Garküchen. Statt gedanklich schon beim nächsten To-do zu sein, bin ich hier und jetzt.

Was ich gelernt habe: Achtsamkeit ist keine esoterische Spielerei, sondern ein praktisches Werkzeug gegen Stress. Wenn ich bewusst atme, bewusst esse, bewusst zuhöre, reduziert sich automatisch das deutsche Hamsterrad-Gefühl in meinem Kopf.

Minimalismus: Weniger besitzen, mehr leben

Ich kenne etliche Kambodschaner, die besitzen fünf Kleidungsstücke und ein paar Flip-Flops. Das war’s. Trotzdem strahlen sie eine Zufriedenheit aus, die ich bei vielen vergleichsweise wohlhabenden Deutschen vermisse.

Dieser Minimalismus hat auch mich angesteckt und ich habe ausgemistet, nicht nur physisch, sondern auch mental. Mittlerweile habe ich auch nur noch einige Shorts, ein paar T-Shirts und ein paar Flip-Flops. Brauche ich wirklich fünf verschiedene Apps für dasselbe? Muss ich jeden Trend mitmachen? Benötige ich diese neue Ausstattung wirklich?

All die unnötigen Dinge, die man sich im Laufe der Zeit anschafft, erzeugen eine nur kurzfristige Zufriedenheit. Wenn diese wieder verflogen ist, sucht man nach dem Nächsten, was man sich kaufen kann.

Die buddhistische Weisheit dahinter: Anhaftung führt zu Leiden. Je mehr wir besitzen wollen und zu verlieren fürchten, desto unruhiger werden wir. Weniger Besitz bedeutet weniger Sorgen, weniger Wartung, weniger Ablenkung – und paradoxerweise mehr Freiheit.

Sonnenuntergang über dem Meer in Kep

Dankbarkeit: Vom Selbstverständlichen zum Geschenk

Wir Deutschen sind Weltmeister im Meckern. Das Wetter, die Politik, die Nachbarn, der Service – es gibt immer etwas zu beanstanden. Ich kann mich erinnern, dass ich diese Nörgelmentalität natürlich auch nach Südostasien mitgebracht habe.

Erst hier habe ich täglich Menschen erlebt, die für Dinge dankbar sind, die ich als selbstverständlich betrachtet habe: sauberes Wasser aus dem Hahn, Strom, ein Dach über dem Kopf, Gesundheit. So kann man hier Leute sehen, die am Morgen vor ihrem kleinen Schrein knien und Dankbarkeit für den neuen Tag ausdrücken.

Anfangs fand ich das kitschig. Heute praktiziere ich es selbst auf meine Art. Jeden Morgen, nachdem mich die Katzen aufgeweckt haben, denke ich bewusst an drei Dinge, für die ich dankbar bin. Das können große Dinge sein (Gesundheit, Beruf oder Partnerschaft) oder kleine (die Sonne, die durchs Fenster scheint, oder dass ich gleich einen frisch gekochten Kaffee trinken werde).

Der Effekt: Diese tägliche Dankbarkeitspraxis hat meine Grundstimmung verändert. Statt zu fokussieren, was schlecht läuft oder fehlt, sehe ich wieder, was alles gut ist. Das deutsche Jammertal-Syndrom ist bei mir vollkommen verschwunden.

In Deutschland herrscht oft das Prinzip „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Konkurrenzdenken, Neid, Abgrenzung – das sind leider verbreitete Verhaltensweisen. Hier in Kambodscha erlebe ich immer wieder das Gegenteil.

Dieses Mitgefühl erstreckt sich auch auf den Umgang mit Fehlern und Schwächen. Statt zu verurteilen oder zu kritisieren, begegnen Kambodschaner menschlichen Schwächen mit Verständnis. „min saamkhan vea minmen chea rueng thom te“, was so viel heißt wie „Spielt keine Rolle, ist keine große Sache“ – hört man häufig.

Fazit:

Achtsamkeit fördert innere Ruhe und Ausgeglichenheit. Minimalismus schafft Klarheit. Dankbarkeit verbessert die Lebenszufriedenheit. Mitgefühl macht das Zusammenleben harmonischer. Das sind keine religiösen Dogmen, sondern praktische Lebenshilfen, die in Deutschland genauso funktionieren wie hier in Kambodscha.

Die Welt wird dadurch sicherlich nicht buddhistischer, aber vielleicht ein bisschen entspannter. Und das könnt ihr in Deutschland definitiv gebrauchen.

Wie siehst du das? Hast du schon mal ähnliche Erfahrungen gemacht, oder denkst du, dass solche „spirituellen“ Ansätze nichts für die deutsche Mentalität ist? Ich freue mich auf eure Kommentare!

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„Alles, was wir sind, ist ein Resultat dessen, was wir gedacht haben.“ – aus dem Dhammapada

Der Blog Author auf einem Steg im Sailing Club Kep.

Der Autor

Hallo, ich bin Andreas Stöcker unter Kambodscha Fans als Don Kong bekannt. Ich lebe seit 1999 in Südostasien, von wo ich über Land, Leute und mein Leben berichte.

Wie ich in Südostasien gelandet bin?

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